Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (vom 23. Mai 1949)

I. Die Grundrechte:

Artikel 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Dienstag, 2. November 2010

Diabetes mellitus



Diabetes mellitus gehört zu den Stoffwechselerkrankungen und wird in zwei Arten unterschieden. Zum einen in die jugendliche oder juvenile Diabetes auch genannt Diabetes Typ 1 und zum anderen in die Erwachsenen- bzw. Altersdiabetes auch genannt Diabetes Typ2.


Typ 1
Typ2
Manifestations-alter

Meist vor dem 40. Lebensjahr
Meist im höheren alter
Hauptursachen
Absoluter Insulinmangel infolge Zerstörung der B-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Wahrscheinlich Autoimmunerkrankung, z.B. durch Virusinfekte ausgelöst.
Verminderte Insulinwirkung an der Leber-, Muskel- und Fettzellen. Zunächst kompensatorisch erhöhte Insulinproduktion, die sich später erschöpft. Förderung der Manifestation z.B. durch Übergewicht, Bewegungsmangel, Schwangerschaft, Stress und bestimmte Arzneimittel. Es besteht ein relativer Insulinmangel

Therapie
Insulin, diabetesgerechte Ernährung, Bewegung
Insulin, orale Antidiabetika, diabetesgerechte Ernährung, Bewegung, Gewichtsreduktion
Symptome
Starkes und ständiges Durstgefühl (Polydipsie)
 Vermehrte Harnausscheidung (Polyurie)
Übelkeit, Schwäche/Müdigkeit, Gewichtsverlust, Koma, Schweißausbrüche
Entzündliche Hauterkrankungen, Harnweginfektion, Pilze, Juckreiz,, Leistungsknick


Diagnose:

Glykohämoglobine (HbA1c bzw. HbA1)
Die Bestimmung der Glykohämoglobine HbA1c bzw. HbA1, im Blut erlaubt eine Aussage über den mittleren Blutzuckerspiegel der letzten 6-8 Wochen und damit eine Behandlungskontrolle.
Abhängig vom Blutzuckerspiegel lagert sich Glukose an die Hämoglobinmolekühle an und so kann man den „gezuckerten“ Anteil bestimmen.

Urinkontrolle (Glukose und Ketonnachweis)
Teststreifen ermögliche den Nachweis einer Glukosurie und Keton. Da dieser jedoch erst ab einer Hyperglykämie von ca. 180 mg/dl auftritt, ist der Glukosenachweis im Urin bereits ein „Alarmzeichen“.

Blutanalyse
Diese wird mit einem Schnelltestgerät oder beim Arzt durch Blutabnahme durchgeführt.


Komplikationen:

Es gibt zwei Hauptarten von Komplikationen, zum einen die Akutkomplikation und zum anderen die Spätschäden.

Akutkomplikation:
1.     Unterzuckerung (Hypoglykämie), der BZ liegt unter 80 mg/dl
2.     Überzuckerung (Hyperglykämie), der BZ liegt über 120 mg/dl

Spätschäden (ca. nach 10 Jahren):
1.     Angiopathie (Durchblutungsstörungen), Makro/Mikro
Schlaganfall, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Diabetischer Fuß
2.     Retinopathie (Augen/Sehstörungen)
Netzhautschäden, Erhöhung des Augeninnendrucks,
3.     Polyneuropathie (Nervenstörungen), vegetative Störungen
Lähmungen, Schmerzen, Missempfindungen der Unterschenkel und Füße (Burning Feet), Diabetischer Fuß
4.     Nephropathie (Nierenschäden)
Dialysepflichtig,
5.     Schlechte Wundheilung
6.     Infektionsneigung


Insulinarten:

Nach der Herkunft der Insulins werden tierische Insuline aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) von Schweinen oder Rindern vom genetisch produzierten und mit menschlichen Insulin identischen Humaninsulin unterschieden. Häufig führen tierische Insuline zu einer Insulinresistenz. Darüber hinaus gibt es noch Humaninsulin–Analoga, die ebenfalls genetisch hergestellt werden.


Beginn
Dauer
Kurz wirksame Insuline:


Altinsulin
ca. 15 Min.
ca. 4-6 Std.
Analoga
ca. 10 Min.
ca. 3 Std.



Verzögerungsinsulin:


Lang wirksame Insuline
ca. 1 Std.
ca. 24 Std.
Mischinsuline
ca. 30 Min.
Individuell je nach Mischverhältnis
Intermediär Insulin
ca. 30-90 Min.
ca. 12-24 Std


Insulintherapie:

Es gibt drei verschiedene Therapien: die konventionelle, intensivierte konventionelle und die Insulinpumpentherapie.


Konventionelle
Intensivierte Konventionelle
Insulinpumpe
Diabetiker Typ
Für Insulinpflichtige Typ 2
Nur als Notlösung für Typ1
Jugendliche und Erwachsene mit unregelmäßigen Tagesablauf
Bei schwer einstellbaren Diabetikern oder einer Schwangerschaft
Einnahme
Vor dem Frühstück und Abendessen ein Mischinsulin
Zur Deckung des Basalbedarfs einmal täglich. Abends bei bedarf, falls nötig morgens und abends ein lang wirksames Insulin, zusätzlich zu den Hauptmahlzeiten, also 3 mal täglich ein kurz wirksames Insulin
Den ganzen Tag wird über eine fest einprogrammierte Basalrate von kurz wirksamen Insulin freigesetzt
Vorteile
2 mal am Tag
Gute Stoffwechsellage und tageszeitliche Flexibilität
Muss nicht gespritzt werden
Nachteile
Tagesablauf und Essverhalten muss angepasst werden
Bei Zwischenmahlzeiten muss nochmals gespritzt werden
Muss ständig mitgeführt werden


Antidiabetika (Orale medikamentöse Therapie):

Diese Therapieform wird bei Typ 2 Diabetiker angesetzt, bei denen mit Diät, Bewegung und Gewichtsabnahme keine befriedigende Stoffwechseleinstellung erzielt werden kann.


Hemmstoffe der Kohlenhydrat-resoption
Biguanide
Sulfonyl-harnstoffe
Prandiale Glukose-regulatoren
Insulin-sensitizer
Wirkung
Glätten die Blutzuckerspitzen
Reduktion der Glukoseresoption (Aufnahme), Hemmung der Glukose-neubildung in der Leber und Verstärkt die periphere Insulinwirkung
Stimuliert die Insulinsekretion (Absonderung) der Pankreas und wirken so blutzucker-senkend
Steigern die Insulinfreisetz-ung aus der Bauchspeichel-drüse in Abhängigkeit  vom Blutglukose-spiegel
Sollen die Gewebe für die Insulinwirkung empfindlicher machen, d.h. die Insulinresistenz des Typ 2 Diabetikers bessern. Der Fettstoffwechsel soll ebenfalls positiv beeinflusst werden.
Neben-wirkung
Blähungen und Völlegefühl sind die folge von nicht resorbierten KH im Dickdarm
Magen-Darm Beschwerden, Blutbildveränder-ungen , Stoffwechselent-gleisungen in Form von Blutübersäuerung (Laktatazidose)
Unterzuckerung, Magen-Darm Beschwerden, Übelkeit, Erbrechen, allergische Hautreaktion
Bauch-schmerzen,  Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung (Obstipation)
Gewichtszunahme, Leberschäden, Ödeme, Anämie
Einnahme
Zu Beginn einer Mahlzeit
Nach dem Essen
Eine halbe Stunde vor dem Essen
Vor dem Essen. Max Wirkung nach 45 Min. erreicht

Vorteil
Keine Unterzuckerung
Keine Unterzuckerung, hemmt den Appetit
1 mal täglich, die Zielzellen werden insulin-empfindlicher
Kaum Unterzuckerung

Medika-ment
Glucobay
Glucophage, Siofor
Glutril, Glurenorm, Englucon, Amaryl
Novo Norm, Starlix
Actos, Avandia
Hauptver-treter der Medi-kamente
Enzymhemmer wie Acarbose
Metaformin
Gilbornurid, Gliquidon
Repaglinid, Nateglinid
Rosiglitazon, Pioglitazon,  Glitazone
Ggf. Besonder-heiten







ABEDL:

1. Kommunizieren
·       Ansprechpartner, mit dem er sich außerhalb der Arztpraxis über seine Erkrankung unterhalten kann. Chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus können im Laufe der Zeit tief in das Lebensgefühl eingreifen und es kann zu einem Burn-out des Diabetikers kommen.
·       Bei Unterhaltungen mit dem Diabetiker kann man auf seinen Bewusstseinszustand schließen und es lassen sich Hyper- oder Hypoglykämien bereits im Vorfeld erkennen. Äußerungen über Schmerzen oder Kribbelgefühlen in den Extremitäten kann ein erster Hinweis auf Neuropathie sein.
·       Wenn der Diabetiker nicht mehr in der Lage ist, sich verbal mitzuteilen, z.B. bei Demenzerkrankungen. Muss der Pflegende ein Einfühlungsvermögen und eine gute Beobachtungsgabe zeigen und die Mimik und Gestik des Diabetikers genau zu beurteilen.

2. sich bewegen
·       Wegen der oft verschlechterten Durchblutung ist besonders auf Dekubitus-Prophylaxe zu achten.
·       Der Diabetiker ist im Bereich der Füße sehr gefährdet, aus diesem Grund sollte er bequem sitzende Schuhe tragen, keine einengenden Socken oder Strümpfe (Kompressionsstrümpfe bilden hierbei jedoch eine Ausnahme, da die Thromboseprophylaxe eine höhere Priorität hat). Schuhe sollten am Besten beim orthopädischen Schuhmacher gekauft werden.
·       Diabetiker sollten nicht barfuß oder nur mit Socken herumlaufen, da das Tast- und Schmerzempfinden herabgesetzt ist, so dass schon auf dem Boden herumliegende Gegenstände wie z.B. Holzsplitter Ursache für ein diabetisches Gangrän sein können.
·       Beobachten des Ganges eines Diabetikers ist sehr wichtig, da Gangunsicherheiten auf eine Hypoglykämie deuten können.
·       Durch vermindertes Schmerzempfinden und Durchblutungsstörungen kommt es zu unphysiologischen Belastungen des Fußes an typischen Stellen wie Fußballen, Ferse und in der Folge zu überschießender Hornhautbildung und

3. vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten
·       Regelmäßige Kontrolle und Dokumentation aller Vitalwerte wie RR, Puls, BZ, Temperatur, Gewicht sind wichtig und notwendig.
·       Die Atmung, Temperaturregulation und die Kreislaufsituation des Betroffenen sind zu beobachten und zu dokumentieren und bei Auffälligkeiten ggf. den Arzt zu informieren.
·       Stoffwechselentgleisungen kann man daran erkennen, dass ein Diabetiker ständig müde, nur schwer weckbar ist, auch Übelkeit und Erbrechen weisen darauf hin.
·       Nächtliches Schwitzen weist auf eine mögliche nächtliche Hypoglykämie hin.
·       Kalte, blasse (blaue) Extremitäten (Nase, Finger, Zehen, Ohrläppchen) geben einen möglichen Hinweis auf periphere Durchblutungsstörungen.

4. sich pflegen
·       Darunter fällt außer der normalen und individuellen Körperpflege die besondere Hautpflege und Hautbeobachtung bei Diabetikern.
·       Einstichstellen der Insulininjektionen sollten in regelmäßigen Abständen gewechselt werden, um Hautschäden zu vermeiden.
·       Das regelmäßige Wechseln von Nadeln an Pens trägt dazu bei Hautveränderungen zu vermeiden.
·       Aufgrund einer herabgesetzten Resistenz gegenüber Infektionen der, müssen alle Maßnahmen der Körperpflege (Hautpflege/Intimpflege) mit besonderer Sorgfalt und unter genauer Beobachtung der Veränderungen durchgeführt werden.
·       Besondere Beobachtung gilt dem Genitalbereich, da Diabetiker leicht zu Pilzinfektionen neigen. Auch Diabetiker, die ihre Intimpflege selbst durchführen, sollten z.B. im Heim vom Pflegepersonal vorsichtig nach Veränderungen, wie z.B. Juckreiz (Intertrigoprophylaxe) gefragt werden.
·       Hautschäden müssen beobachtet und dokumentiert werden. Rote Flecken, Quaddeln, Pusteln usw. können auf Allergien auf Insulin, häufiger aber auf Insulinzusatzstoffe hinweisen.
·       Diabetiker neigen aufgrund seiner Durchblutungsstörungen zu schlechterer Wundheilung (Ulcus cruris oder Gangrän).
·       Vor allem beim täglichen Waschen der Füße ist ein gründliches Abtrocknen zwischen den Zehenräumen notwendig.
·       Die Beine und Füße können ruhig eingecremt werden, jedoch nicht zwischen den Zehen.

5. essen und trinken
·       Ärztlich verordnete Diät, sollte von dem Diabetiker eingehalten und ggf. vom Pflegenden kontrolliert werden.
·       Wenn ein Diabetiker Zwischenmahlzeiten benötigt, ist es Aufgabe des Pflegepersonals daran zu denken und es ihm ggf. zu reichen.
·       Übelkeit und Erbrechen können ein Hinweis auf eine schwere Stoffwechselentgleisung sein.
·       Besonders schwierig ist es bei Diabetikern, die Insulin nehmen und Erbrechen oder Durchfall haben, hier ist auf jeden Fall Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu nehmen.
·       Die Diabetiker sollten in diesem Bereich bei allen Fragen rund um die Diabetes-Diät unterstützt werden. Auch muss darauf geachtet werden, dass der Diabetiker genügend Flüssigkeit zu sich nimmt.

6. ausscheiden
·       Eine erhöhte Urinausscheidung und Trinkmenge, deuten auf Diabetes mellitus hin.
·       Der Diabetiker muss unbedingt über die Anzeichen einer Blasen- oder Nierenbeckenentzündung aufgeklärt sein, da diese Infekte bei Diabetikern deutlich erhöht sind.
·       Ist Urinausscheidungsmenge zu hoch, deutet das auf eine Hyperglykämie oder auf eine Nierenfunktionsstörung hin. Die Gefahr der Austrocknung durch zu hohen Wasserverlust des Körpers kann auch eine Thrombose begünstigen.
·       Der Geruch des Urins kann auf bestimmte Stoffwechselentgleisungen hinweisen. (säuerlich » Ketoazidose)
·       Eine zu hohe Dosis an oralen Antidiabetiker kann zu Durchfall führen.
·       Durchfall und auch übermäßige Urinausscheidung können auch zu Hautschäden führen.

7. sich kleiden
·       Die Kleidung sollte aus Baumwolle oder Wolle sein, da diese Feuchtigkeit gut aufsaugt. Feuchtigkeit begünstigt Reizungen und Verletzungen, sowie Mazeration der Haut und bietet einen guten Nährboden für Pilze und Bakterien und fördert Infektionen.
·       Auch auf gutes und sicheres Schuhwerk muss geachtet werden, da Diabetiker eine verminderte Schmerzempfindlichkeit und Durchblutungsstörungen haben, müssen auch die Füße täglich auf Druckstellen und ähnliches untersucht werden.

8. ruhen und schlafen
·       Nächtliche Hyper- und Hypoglykämien können Wohlbefinden des Diabetikers empfindlich beeinträchtigen. BZ-Kontrollen vor dem Schlafengehen sind daher nötig.
·       Da die Resorption des Insulins an verschiedenen Körperstellen unterschiedlich schnell vor sich geht (Injektion am Bauch » schnellere Resorption, Injektion am Oberschenkel » langsamere Resorption) sollte die abendliche Injektion in den Oberschenkel erfolgen.

9. sich beschäftigen
·       Diabetiker sind in ihrer Tagesgestaltung nur leicht eingeschränkt, da sie sich an bestimmte Essenszeiten halten müssen (vor allem Typ-2 Diabetiker). Jedoch ist es auch für Diabetiker möglich, z.B. an einem Tagesausflug, den das Heim veranstaltet teilzunehmen.
·       Die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten und ähnlichem wirkt sich vorteilhaft auf die Stoffwechselstörung aus.

10. sich als Mann oder Frau fühlen
·       Diabetiker neigen häufiger als Gesunde zu Pilzinfektionen im Intimbereich. Von vielen älteren Menschen wird das noch als Geschlechtskrankheit angesehen. Bei Diabetikern, die ihre Grundpflege noch selbst übernehmen, sollte deshalb vorsichtig nach Problemen/Veränderungen nachgefragt werden

11. für eine sichere Umgebung sorgen
·       Ausreichende Verpflegung mit Hilfsmitteln, sowie die individuelle Anpassung der Therapie an die Bedürfnisse und Gewohnheiten des Diabetikers, sowie die Überwachung der Vitalzeichen (Puls, RR, BZ, Gewicht, Temperatur.)
·       Dazu zählen auch die Maßnahmen, die den Diabetikern vor Verletzungen schützen sollen, wie die Wahl des richtigen Schuhwerks, korrekte Fußpflege usw.
·       Der Diabetiker sollte in der Wohnung (Heim) gut sitzende, geschlossene Hausschuhe tragen, um seine Füße vor Bagatell-Verletzungen zu schützen.

12. soziale Bereiche des Lebens sichern
·       Bestehende Beziehungen aufrechtzuerhalten.

13. mit existentiellen Erfahrungen des Lebens umgehen
·       Die tägliche Auseinandersetzung mit der chronischen Erkrankung Diabetes mellitus erfordert von dem Diabetiker ein hohes Maß an Kraft und Kompromissbereitschaft.
·       Burn-out, das Ausgebrannt sein erfordert vom Pflegepersonal ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl. Man soll sich immer vor Augen führen, dass man das bestmögliche an Lebensqualität für seinen Bewohner möchte. Deshalb darf sich ein Diabetiker auch mal die "Freiheit" nehmen, sich mal nicht zu messen (oder messen zu lassen), mal völlig auf seine Diät zu pfeifen. Mal ein Tag ohne Diät, hat sicher einen hohen "Erholungswert" für einen ausgebrannten Diabetiker. Gerade für den älteren Diabetiker hat Essen eine ganz andere biografische Bedeutung als für jüngere Menschen.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Elternschaft und Behinderung

1.Sind Elternschaft und Behinderung miteinander vereinbar?
  • Das vorherrschende Behindertenbild vom geschlechtsneutralen, allein stehenden und unselbständigen Menschen, der nicht in der Lage ist, für Andere zu sorgen, steht im Widerspruch zum gängigen Elternbild. Die 670 Träger der Behindertenhilfe meldeten 1996 etwa 1000 Elternschaften mit etwa 1300 Kindern. Im Gegensatz zu nichtbehinderten Eltern werden Eltern mit geistiger Retardierung jedoch von den Ämtern stark kontrolliert. Desweiteren werden i.d.R. die Familien getrennt und die Kinder in Pflegefamilien untergebracht.
2.Welche Barrieren und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es im Alltag von behinderten Müttern und Väter?



  • Gesetzliche Nachteilausgleiche - dazu gehören z.B. ein barrierefreier Umbau der Wohnung, spezielle Computerausstattungen für blinde Menschen oder Kraftfahrzeughilfen für mobilitätsbehinderte Menschen. Mütter und Väter mit Behinderung, die nicht im Erwerbsleben stehen sind von den Leistungen ausgeschlossen





  • - Eltern mit Behinderung haben in vielen Lebenssituationen große Schwierigkeiten. Konkret handelt es sich um folgende Einschränkungen: Kommunikationsbarrieren für blinde und gehörlose Eltern, bauliche Zugangsbarrieren für mobilitätsbehinderte Eltern zu fast allen gesellschaftlichen Bereichen, fehlende Hilfsmittel zur Versorgung der Kinder sowie fehlende personelle Unterstützung in Form von Assistenz





  • Kommunikationsbarrieren für blinde und gehörlose Menschen- Blinde Menschen fühlen sich meist sehr eingeschränkt der Informationsangebote. Bei allen Informationen werden sie meist ausgeschlossen. Im Kindergarten oder in den Schulen können sie sich nie nach den Kindern oder nach Informationen informieren. Die Unterstützung von finanziellen Gebärdesprachdolmetscherin fehlt total.




  • Bauliche Zugangsbarrieren für mobilitätsbehinderte Menschen- bauliche Barrieren sind für sie ein großes Teilhabehindernis. Der Zugang zu Behörden, Freizeitstätten, Schulen oder Kindergärten sind oft durch Stufen versperrt. Türen zu eng, öffentliche Verkehrsmittel oft unzugänglich. Familienangebote wie Babygruppen, Schwimmbäder oder Kinderspielplätze sind für Rolsltuhlfahrer oft gar nicht erreichbar oder nutzbar. Bauliche Barrieren helfen ihnen nicht nur die Teilhabe am Leben sondern auch Entscheidungen zu treffen.





  • dieses hängt immer von den Hilfsmitteln ab, die man zur Verfügung hat. Blinde Eltern benutzen z.B. sprechende Fieberthermometer. Gehörlose Eltern nutzen visualisierende Mittel wie ein Babyphone. Körperbehinderte Eltern benötigen dagegen Kindermöbel die ihren Bedürfnissen angepasst sind. Sind diese Hilfsmittel angepasst, kann die Hilfe anderer reduziert werden. Diese Hilfsmittel sind oft sehr teuer. Die Kostenträger übernehmen die Kosten leider nicht.





  • - Zum Ausgleich mancher Handlungen benötigen manche Eltern eine assistierende Kraft, die ihnen hilft die Elternaufgaben zu erfüllen. Sie helfen ihnen dann bei der Kinderpflege, im Haushalt und bei der Mobilität. Ob und wieviel Unterstützung benötigt wird, hängt von der Anzahl der Kinder, dem Alter der Kinder, der Behinderung, der Stärke der Einschränkung , der zur Verfügung stehende Hilfsmittel sowie Wohnumgebung ab.





  • Ehrenamtliche Hilfen durch Familienangehörige und/oder Freunde- der Einsatz von ehrenamtlichen Hilfskräften wie Partnern, Familienangehörigen, Freunden und Bekannten ist nur begrenzt sinnvoll da die Möglichkeiten der Selbstbestimmung der behinderten Eltern stark eingeschränkt werden.



  • Die Tagespflege- Eltern die Berufstätig sind bietet der Gesetzgeber des KJHG ( Kinder- und Jugendhilfegesetz)in einem begrenzten Zeitraum eine Kinderbetreuung in Form einer Tagesbetreuung an. Dies geht bis zum 4 Lebensjahr des Kindes. Vorteile dins, das die Eltern entscheiden können, welche Person die Betreuung macht, welchen Umfang dies haben soll, die Dauer und der Ort, wo die Betreuung stattfindet. Diese Form kann jedoch nicht von allen Éltern mit Behinderung erfolgen. Es müssen bestimmte Vorraussetzungen genommen werden.
  • Persönliche Assistenz oder "Elternassistenz"- wird in Form eines Arbeitsgeber-Modell oder durch die Beauftragung eines ambulanten Hilfedienstes verwirklicht. Im Unterschied zu den anderen entscheiden die betroffenen selbst wann sie wo und durch wen welche Unterstützung erhalten.Dieses Umfasst alle Unterstützungshandlungen , die behinderte Eltern benötigen, um die Elterliche Sorge , den Umgang mit den Kindern möglichst umfassend und selbstbestimmt ausüben können. Bis jetzt werden die Kosten für Kinderbetreuungskosten und Kosten für Haushaltshilfen von den Kostenträgern übernommen. Behinderte Eltern die keine Rehabilitationsmaßnahme erhalten, können die kosten für die Assistenz bei den Kranken- oder Pflegekassen, Sozial- und Jugendämtern beantragen. Bei der Organisation der Assistenz unterscheiden sich Eltern in einer Partnerschaft von allein erziehenden Elternteilen da diese keine Unterstützung von anderen haben. Diese Assistenz wird dann meistens von bezahlten Assistenzkräften geleistet. Diese Form wird meistens nicht gewährt. Somit sind Eltern mit Behinderung wesentlich stärker eingeschränkt und somit auch stärker von Überlastung und Ausgrenzung betroffen.





  • Gebärdensprachdolmetscher- Behinderte Eltern benötigen zur Klärung medizinischer, schulischer oder behördlicher Angelegenheiten, Assistenz durch Gebärdensprachdolmetscher. Seit Juli 2001 haben sie Anspruch auf kostenlose Gebärdensprachdolmetschung. Dieses bezieht sich auf den Kontakt mit der Frauenärztin, dem Kinderarzt, dem Jugend- oder Sozialamt, schließt aber nicht die Elternaufgaben wie den Kontakt mit Kindergarten und Schule ein.





  • Hemmnisse bei der Beantragung notwendiger Hilfen- Behinderte Eltern haben Angst, das sie Aufgrund ihrer Behinderung das Jugendamt sie als inkompetent halten, das Kindeswohl für gefährdet ansehen und das sie ihnen das Kind wegnehmen. Jugendämter bringen die Kinder gegen deren Willen in Pflegefamilien ohne zu gucken ob die Eltern nicht selbst in der Lage dazu sind. Eine Überlastung des behinderten Elternteils und oft auch der ganzen Familie sind dann unausweilich.




  • Persönliche Ressourcen in Familien mit behinderten Elternteilen- Die Lebenssituation von Familien mit Behinderung wird fast überall beeinflusst. Sie gehen mit einen hohen Potential an die Entwicklung und die Altagsschwierigkeiten ran. Kinder im Babyalter setzen sich so schon früh auf die Möglichkeiten des Behinderten Elternteils ein. Blinde Eltern dagegen entwickeln individuelle Verhaltensstrategien wie erfundene Spiele um raus zu finden wo sich das kind befindet.





  • 3.Welche Vorgaben macht die UN-Behindertenrechtskonvention in Bezug auf das Thema Behinderung und Elternschaft?
    • Selbstbestimmte Elternschaft, persönliche Mobilität und angemessene Unterstützungsangebote – Menschen mit Behinderungen sollen in allen Belangen zu Ehe, Partnerschaft, Familie oder Elternschaft selber entscheiden und ihr Leben mit der notwendigen Unterstützung gestalten können.
    • Kinder mit Behinderungen sind unverzüglich nach ihrer Geburt in ein Register einzutragen und haben das Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, und soweit möglich das Recht, ihre Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden.
    Artikel 23 der UN-Behindertenrechtskonvention: 

    Achtung der Wohnung und der Familie (1) Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung von Menschenmit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen in allenFragen, die Ehe, Familie, Elternschaft und Partnerschaften betreffen, um zu gewährleisten,dass

    a) das Recht aller Menschen mit Behinderungen im heiratsfähigen Alter, auf der Grundlage des freien und vollen Einverständnisses der künftigen Ehegatten eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen, anerkannt wird;

    b) das Recht von Menschen mit Behinderungen auf freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenabstände sowie auf Zugang zu altersgemäßer Information sowie Aufklärung über Fortpflanzung und Familienplanung anerkannt wird und ihnen die notwendigen Mittel zur Ausübung dieser Rechte zur Verfügung gestellt werden;

    c) Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern, gleichberechtigt mit anderen ihre Fruchtbarkeit behalten.

    (2) Die Vertragsstaaten gewährleisten die Rechte und Pflichten von Menschen mit Behinderungen in Fragen der Vormundschaft, Pflegschaft, Personen- und Vermögenssorge, Adoption von Kindern oder ähnlichen Rechtsinstituten, soweit das innerstaatliche Recht solche kennt; in allen Fällen ist das Wohl des Kindes ausschlaggebend. Die Vertragsstaaten unterstützen Menschen mit Behinderungen in angemessener Weise bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung.

    (3) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleiche Rechte in Bezug auf das Familienleben haben. Zur Verwirklichung dieser Rechte und mit dem Ziel, das Verbergen, das Aussetzen, die Vernachlässigung und die Absonderung von Kindern mit Behinderungen zu verhindern, verpflichten sich die Vertragsstaaten, Kindern mit Behinderungen und ihren Familien frühzeitig umfassende Informationen, Dienste und Unterstützung zur Verfügung zu stellen.

    (4) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, es sei denn, dass die zuständigen Behörden in einer gerichtlich nachprüfbaren Entscheidung nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften und Verfahren bestimmen, dass diese Trennung zum Wohl des Kindes notwendig ist. In keinem Fall darf das Kind aufgrund einer Behinderung entweder des Kindes oder eines oder beider Elternteile von den Eltern getrennt werden.

    (5) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, in Fällen, in denen die nächsten Familienangehörigen nicht in der Lage sind, für ein Kind mit Behinderungen zu sorgen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um andere Formen der Betreuung innerhalb der weiteren Familie und, falls dies nicht möglich ist, innerhalb der Gemeinschaft in einem familienähnlichen Umfeld zu gewährleisten.

    6. Fazit (persönliche Meinung)